Sitzung: 12.07.2012 Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt
Beschluss: Verweisung an die Fraktionen
Vorlage: 16/0396
Verweisung in die Fraktionen, anschließend
Beschluss im VA
Herr Docter gibt eine grundlegende
Einführung in die Thematik.
In den letzten Jahren habe es in Emden zwei Anträge
auf Massentierhaltung gegeben (Marienwehr und Wybelsum), die die Bürgerschaft
habe unterbinden wollen, um den Verlust an Lebensqualität zu verhindern und
eine Störung von Mensch und Natur zu unterbinden.
Die Rechtsgrundlage zu Tierhaltungsanlagen sei sehr
komplex und genieße das besondere Privileg, in den Außenbereichen keinen
baulichen Beschränkungen zu unterliegen.
Mit dem Entwurf zum Steuerungskonzept könne versucht werden, andere
Dinge rechtswirksam in den Vordergrund zu stellen. Tierhaltungsanlagen
generell zu verbieten, wäre von Gesetzes wegen nicht möglich.
Was heute durch die Verwaltung vorgestellt wird,
ist der erste Baustein, nämlich der Entwurf
eines Konzepts zur Steuerung von
Tierhaltungsanlagen für die spätere Bauleitplanung. Mit dieser Vorlage soll
beschlossen werden, dass der Entwurf zum Steuerungskonzept öffentlich
vorgestellt und diskutiert werden darf. Nach der Sommerpause soll dann darüber
weiter abgestimmt werden.
Herr Kolk führt anhand eines
Lichtbildvortrages weiter aus.
Er weist darauf hin, dass es sich um ein
schwieriges und komplexes Thema handele, daher habe man sich externe
Unterstützung geholt, was die umfangreichen Unterlagen zur Folge habe. Er
möchte daher versuchen vereinfacht darzustellen, was zulässig ist und was
nicht. Grundsätzlich vorauszuschicken sei der Hinweis, dass nach Baugesetzbuch
zwischen gewerblichen Tierhaltungsanlagen und landwirtschaftlichen
Tierhaltungsanlagen zu unterscheiden sei. Beide seien privilegiert im
Außenbereich zulässig; der Unterschied bestehe darin, dass landwirtschaftliche
Anlagen das Futter für die Tiere überwiegend selber herstellten bzw. anbauten,
dem gegenüber die Betreiber gewerblicher Anlagen den überwiegenden Teil des
benötigten Futters nicht selber anbauten, sondern hinzukauften.
Eine reine Verhinderungsplanung hinsichtlich
Intensivtierhaltungsanlagen sei vor dem Hintergrund einschlägiger
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtlich nicht möglich. . Zudem
müsse eine Steuerungsplanung
städtebaulich begründet sein, Lage und Größe von
Tierhaltungsanlagen könnten nicht
willkürlich von der Verwaltung
festgelegt werden.
Die Art zulässiger Tiere könne durch die Politik
festgelegt werden, sofern hierfür eine städtebauliche Begründung vorliege. Das
ist für Emden geprüft worden und hat zu dem Ergebnis geführt, dass z. B.
Schweine und Hühner nicht zugelassen werden müssten, da diese Tierarten
hinsichtlich der durch Rinderhaltung und Weide- und Wiesenwirtschaft geprägten
ostfriesischen Kulturlandschaft praktisch keine Rolle spielten. Im Gegenzug
könne aber eine sog. Irrelevanzschwelle eingeführt werden, die es den
Landwirten ermögliche, auch solche an sich unzulässigen Tierarten bis zu dieser
Schwellengrenze zu halten. Konkret wären dies z.B. bis zu 27 Mastschweine bis
zu 110 kg oder aber 441 Legehennen.
Weiter von Bedeutung sei der Umstand, dass im
Genehmigungsverfahren für Intensivtierhaltungsanlagen nach
Bundesimmissionsschutzrecht das Beeinträchtigungsverbot zu beachten sei, ein
sog. Vorsorgegrundsatz hingegen keine Berücksichtigung finde; dies bedeute,
dass z. B. Mindestabstände, also Pufferzonen, zum Zwecke der Vorsorge zu
schutzwürdigen Nutzungen, z.B. Siedlungsbereichen, oder aber aus
seuchenhygienischen Gründen zu Tierhaltungsbetrieben untereinander im
Genehmigungsverfahren nicht festgesetzt werden könnten. Diese Möglichkeit
bestehe lediglich, wenn die planende Gemeinde ein Steuerungskonzept als
Grundlage einer darauf aufbauenden Bauleitplanung erarbeite und dort solche Pufferzonen
festlege. Vorliegender
Konzeptentwurf berücksichtige solche
vorsorgeorientierten Abstandspuffer, z. B.
500 m zu Siedlungsbereichen oder
von Betrieb zu Betrieb.
Gewerbliche Tierhaltungsanlagen könnten nach
geltendem Planungsrecht in sog. Konzentrationsgebieten für zulässig und im
Gegenzug im übrigen Außenbereich für unzulässig erklärt werden. Die im
Konzeptentwurf entwickelten Konzentrationszonen sind gem. der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts durch Ausschluss nicht oder nur bedingt geeigneter
Gebiete entstanden:
Schritt 1: ungeeignete Gebiete wie z.B.
Siedlungsbereiche zzgl. Abstandspuffer
scheiden aus. Weitere ungeeignete Gebiete sind z.B. Naturschutzgebiete
oder aber Bereiche mit entgegenstehenden Zielen der Landesplanung, z.B. Vorrangflächen
für Hafen am Wybelsumer Polder oder Rysumer Nacken.
Schritt 2: bedingt geeignete Gebiete wie z.B Wald,
Kompensationsflächen oder Landschaftsschutzgebiete zzgl. Abstandspuffer
scheiden ebenfalls aus. Zwar könnten hier Tierhaltungsanlagen gewerblicher Art
entstehen, aber im Wege der Abwägung wird vorgeschlagen, diese Bereiche für
andere freiraumbezogene Nutzungen zu sichern.
Schritt 3: alle übrigen Flächen sind natur- und
immissionsschutzfachlich grundsätzlich für Tierhaltungsanlagen geeignet, eine
weitere Reduzierung einer Fläche kann sich jedoch z.B wegen mangelnder
Erschließung ergeben.
Schritt 4: Im Ergebnis bleiben 4
Konzentrationsflächen für Emden: Nördlich Wybelsum, Nördlich
Jarßum/Widdelswehr, südlich der A 31 und
südlich Bansmeer.
In den 4 Konzentrationsflächen sind insgesamt 9
Tierhaltungsanlagen möglich. Diese Anzahl ergibt sich aus dem bzgl. des
Seuchenschutzes ermittelten Radius (250m) um eine Anlage, hieraus resultiert
ein Abstand von500m der Anlagen zueinander.
Die max.
Anzahl der möglichen Tiere innerhalb der Konzentrationsflächen sei später durch
die Bauleitplanung festzusetzen. Eine immissionsschutzfachliche Ermittlung habe
ergeben, dass eine Tierhaltungsanlage max. 800 Rinder, 1.000 Pferde, 3.000 Schafe oder 3.400 Ziegen aufnehmen könne. Für den Fall, dass Schweine
und Geflügel nicht ausgeschlossen würden, sein max. 40.000 Masthähnchen oder
930 Mastschweine je Anlage zulässig.
Hinsichtlich landwirtschaftlicher
Tierhaltungsanlagen sei es so, dass Erweiterungen vorhandener Betriebe
Begrenzungen unterliegen, die durch die jeweilige Lage des Hofes zu
schutzwürdigen Nutzungen
immissionsschutzfachlich und naturschutzfachlich begründet seien. Liegt z. B. eine landwirtschaftliche Anlage
in einem faktischen Vogelschutzgebiet, sind erhöhte Auflagen zu erwarten, denn
hier darf das Ziel des Schutzgebietes nicht beeinträchtigt werden. Eine
Steuerungsplanung ändert an diesem Sachverhalt nichts.
Es seien alle Landwirte in Zusammenarbeit mit dem
Landwirtschaftlichen Hauptverein
angeschrieben und gebeten worden, einen Fragebogen zu den betriebsbezogenen
Entwicklungsabsichten auszufüllen. Dieser Bitte seien ca. 70 % der Landwirte
auch nachgekommen. Fast alle Entwicklungsabsichten der Landwirte aus dieser
Fragebogenaktion könnten berücksichtigt werden, lediglich zwei geäußerte Entwicklungsabsichten - die
Errichtung von Geflügelanlagen einmal mit 80.000, ein anderes Mal mit 20.000
Tierplätzen - sei nach dem
Steuerungskonzept nicht umsetzungsfähig.
Eine Umsetzung dieser Wünsche sei aber auch ohne Steuerungskonzept unter
den gegeben Umständen nach Lage der Dinge nicht möglich.
Da es sich hier um ein sehr umfangreiches Konzept
handelt, bietet Herr Kolk an, dieses
erneut in den Fraktionen vorzustellen, bevor es nach der Sommerpause den
Landwirten und der Öffentlichkeit
vorgestellt werde.
Frau Pohlmann
spricht
sich für eine Diskussion in den Fraktionen aus und begrüßt das Angebot von
Herrn Kolk zur Vorstellung der umfangreichen Unterlagen. Nach der Vorstellung
wird ihre Fraktion die Zustimmung zur Veröffentlichung und Beschlussfassung im
VA geben, bittet aber um Unterrichtung über jeden weiteren Schritt.
Herr Verlee sieht für die CDU-Fraktion
das gleiche Problem. Auch seine Fraktion tue sich schwer mit der
Veröffentlichung des Konzepts, da auch hier noch eingehender Diskussionsbedarf
und viele Fragen bestünden. Er spricht sich dafür aus, das Konzept noch mal mit
der einem Vertreter der Verwaltung oder einem Gutachter durchzusehen, bevor das
Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt werde.
Herr Docter weist noch einmal eindrücklich darauf hin,
dass es sich hier lediglich um einen Entwurf des Konzeptes handele, um die
Öffentlichkeitsbeteiligung herzustellen. Es sei ihm bewusst, dass es sich hier
um ein hoch komplexes Thema handele, aber es aus seiner Sicht besser sei, eine
Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit zu führen, da sich vielleicht Fragen
ergäben, an die die Verwaltung noch nicht gedacht habe.
Herr Stolz findet den Entwurf des
Konzeptes zwar sehr umfangreich, dieses sei aber sehr gut geschrieben und er
habe es mit Interesse gelesen. Seine Fraktion könne daher der Vorlage mit
Beschluss für eine Veröffentlichung zustimmen. Der rechtliche Rahmen dafür sei
klar.
Weiter führt er aus, dass er vor einiger Zeit in
der Zeitung gelesen habe, was in Schlachthöfen Grausiges passiere. Wie ein
Intensivtierhaltungsbetrieb heute aufgebaut sei, könne einem nur gruselig
vorkommen. Die Rahmenbedingungen des Gesetzgebers werfen seiner Meinung nach
ein trauriges Licht auf unsere Gesellschaft. Der Staat und die Bevölkerung
haben seiner Ansicht nach eine Mitverantwortung zu tragen.
Herr Buisker stimmt Herrn Stolz zu, ist
aber der Meinung, dass eine Diskussion hierüber nichts bringe, da die
Bevölkerung das Fleisch kaufe und somit von dort ein Umdenken passieren müsse,
um von der Massentierhaltung wegzukommen hin zu artgerechter Haltung.
Verhindern dürfe man von Rechts wegen
Tierhaltungsanlagen nicht, aber man habe durch dieses Konzept die Möglichkeit,
gewerbliche Anlagen in geeignete Konzentrationsgebiete zu bringen. Genau
hiervor warne er aber, da solche Konzentrationsgebiete eben jene gewerblichen
Tierhalter anlockten, die in Emden gerade nicht gewollt seien. Nach Meinung von
Herrn Buisker wäre es sinnvoll, den § 35 (1) BauGB zu ändern.
Frau Pohlmann spricht sich nach der Diskussion
ebenfalls dafür aus, den Beschluss zur Beratung in die Fraktionen
zurückzugeben.
Frau Eilers schließt sich ebenfalls
der Meinung zur Verweisung an die Fraktionen an. Auch sie ist der Meinung, dass
auf Bundesebene etwas passieren müsse, um Tierhaltungsanlagen verbieten zu
können, man dürfe aber gleichwohl nicht außer Acht lassen, das es hier auch um
die Existenz der Landwirte gehe.
Der Vortrag von Herrn Kolk sei sehr gut
verständlich gewesen und sie finde es daher eine gute Idee, den Konzeptentwurf
öffentlich und in den Fraktion vorzustellen, soweit dies der angedachte
Zeitplan zulasse.
Herr Docter weist noch einmal darauf hin, dass es
sich hier lediglich um den Entwurf eines Konzeptes handele, den man in der
Öffentlichkeit diskutieren wolle. Am 27.09.2012 finde der nächste Ausschuss für
Stadtentwicklung und Umwelt statt, so dass man damit dann Anfang Oktober erst
in den VA zur Beschlussfassung komme. Wenn eine Verweisung in die Fraktionen
gewünscht werde, müsse die Verwaltung dies akzeptieren.
Frau Eilers möchte wissen, wie mit den Anträgen zu
Erweiterungsabsichten der Landwirte umgegangen und wie sich das entwickeln
werde.
Herr Docter erwidert, dass eine normale
landwirtschaftliche Erweiterung weiterhin möglich sei und nicht durch dieses
Konzept verhindert werde.
Herr de Boer gibt bekannt, dass die
Landwirte wegen der Fragebogenaktion zusammengesessen hätten. Er führe die hohe
Teilnahmequote darauf zurück, dass viele landwirtschaftliche Betriebe ebenfalls
die Absicht hätten, ihre Betriebe evtl. weiter zu entwickeln. Er betrachte das
vorliegende Steuerungskonzept ebenfalls als eine Einladung an gewerbliche
Tierhalter nach Emden zu kommen. Er sei der Meinung, dass sowohl die Landwirte
als auch die Bevölkerung möglichst frühzeitig mit eingebunden werden sollten.
Herr Buisker möchte zum angedachten 500 m Abstand
wissen, was mit dem Hof, der mitten in der Konzentrationsfläche 2 liege,
geschehe, warum dort kein entsprechender Radius dargestellt sei.
Herr Kolk erwidert,
dass seines Erachtens dieser Hinweis
berechtigt sei, das Konzept werde dbzgl. geprüft und evtl. ergänzt bzw.
geändert.
Herr Strelow begrüßt die Transparenz,
muss allerdings auch festhalten, dass die Thematik zu komplex ist, um schnell
verstanden zu werden, daher finde auch er es richtig, den Entwurf des Konzeptes
in den Fraktionen zu beraten. Man könne ja einen neuen Termin ansetzen.